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Angedacht-Gedanken zum Monatsspruch

Juni 2023

Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle.

1.Mose 27, 28

„Die Menschen lügen. Alle“

So lautet die Übertragung eines Psalmwortes aus dem Hebräischen von Arnold Stadler (Psalm 116,11). Es ist eine bittere Wahrheit. Und hier ist es wie eine Kulisse zum Monatsspruch Juni 2023:

Gen 27,28 Gott gebe dir vom Tau des Himmels, vom Fett der Erde, viel Korn und Most! (Einheitsübersetzung).

Was war: Isaaks Segen, die Verheißung Gottes, wird Wirklichkeit. Der vermeintliche Esau erhält den Erstgeburtssegen des blinden, zögernden, tastenden, fragenden, alten Vaters. Sein Geruchssinn überzeugt ihn, dass der richtige Sohn vor ihm steht. Er riecht. Und küsst ihn. Intimstes Erkennungszeichen, übrigens auch im NT. Daraufhin lügt Jakob dem Vater ins Gesicht: „Ja“, ich bin dein Sohn. Und Jakob, der Listige, beraten von seiner Mutter Rebekka, erhält den Segen. Schnitt. Klappe. Kein Zurück, nur der Weg nach vorne, um mit genau diesem Segen zu leben und ihn mit Gottes Hilfe einzulösen.

Was gilt: Der Segen gilt. „Dieser Segen ist aber nicht ein leiser Schall von Worten oder ein Glückwunsch, damit einer dem Anderen etwas Gutes pflegt zu wünschen…Diese Dinge alle haben die Kraft und Gewalt, daß sie dir gegenwärtig und wahrhaftig gegeben werden, wenn du glaubst“. (M. Luther). Jakob empfängt den Segen, flieht, sucht Sicherheit und Wohlstand in der Ferne. Das Familienchaos dürfte perfekt sein: ein enttäuschter eventuell wütender weil belogener Vater; eine zwar schlaue Ehefrau, “die alles arrangiert“ (D. Sölle), aber eben auch eine verlassene Mutter, die Rebekka; ein wütender Erstgeborener der Zwillinge, der nun einen anderen Segen erhält. Aber: es gibt diese Kraft, die wirkt; die Leben fördert, sich speist aus göttlicher Quelle, vermittelt von einem Menschen. Der eigentliche Sprechakt versetzt den Gesegneten in eine gesicherte Position: Das teilt mir Gott zu. Das wird mir gelingen, wenn ich glaube; weil dem Glauben Werke folgen. Und deswegen gibt es kein Zurück mehr und kein Tausch der Segensworte ist möglich. Der Segen gilt ad personam oder er gilt nicht.

Mitten im Leben Gott erkennen: Ich liebe das Alte Testament in seiner Bevorzugung des Diesseitigen. Der Mensch darf glücklich sein und reich sein an Korn, Wein, Öl, Tau. Ja, Jakob wird große Herden besitzen, Knechte und Mägde beschäftigen und zwei Frauen mit ihren Kindern in die alte Heimat heimführen, um…ja, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen und niederzulassen. Die Schicksalsschläge in der Familie Jakobs nehmen zwar kein Ende, aber einen Mangel an Korn, Wein, Fett der Erde und Wasser gibt es nicht. Die Seinen sind bewahrt geblieben vor Hunger und Durst und Öde. Der Segen hat gewirkt. Ja, der „Segen Gottes ist die Inanspruchnahme des irdischen Lebens für Gott und er enthält alle Verheißungen“ (D. Bonhoeffer). Das können Menschen in ihrem Leben erkennen und danach leben.

Übrigens: Kurz vor seinem Tod bedachte Jakob einen jeden mit dem Segen, „der ihm zukam“ (Gen 49,28). Ist das nicht eine Anspielung der biblischen Redakteure auf den erlogenen Segensspruch Isaaks an Jakob? Gottes Wege sind eben nicht unsere Wege. Niemals.

Kathrin Buchhorn-Maurer, Pfr.i.R., 74321 Bietigheim-Bissingen

 

Und ein PS: Im Schwäbischen, wo ich herstamme und diese Zeilen schreibe, könnte man die oben erwähnte Psalmaussage so ausdrücken: Älle send Lugabeidl (Lügenbeutel/ Lügner). Und ergänzen: Oinr net. Des isch dr Herrgott.

https://www.schwaebisch-schwaetza.de/schwaebisches_woerterbuch.php

https://www.dietrich-bonhoeffer.net/zitat/36-der-segen-gottes-ist-die-ina/

„Mitten im Leben Gott erkennen“: Zitiert aus: Dietrich Bonhoeffer, Predigt zum 1. Advent, 2.12.1928

Georg Walch, Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, Bd 1: Auslegung des ersten Buches Moses, Erster Teil, St. Louis 1880, S.298-300