in Jerichow vom 26. bis 28. Oktober 2023
Es war ein kleines Jubiläum, das wir in diesem Jahr begehen konnten: der 25. Konvent seit Bestehen der Evangelischen Zehntgemeinschaft! Nachdem wir uns im vergangenen Jahr erstmals im Zinzendorfhaus in Neudietendorf getroffen hatten, fand der diesjährige Konvent wieder in Jerichow statt in den vertrauten Räumen des Evangelischen Gemeindehauses. Da wir die zweite Pension in Jerichow nicht mehr nutzen können, haben diejenigen, die mit dem PKW angereist waren, in einem Hotel in Tangermünde übernachtet. Das war zwar mit einiger Fahrerei verbunden, dafür war das Hotel aber recht komfortabel. 31 Personen haben an dem Konvent teilgenommen, darunter erfreulicherweise neun, die zum ersten Mal dabei waren. Als Gast war Sup.i.R. Matthias Weismann aus Meißen eingeladen, der Leiter der Ev. Zehntgemeinschaft Sachsen.
Wie gewohnt begann der Konvent am Donnerstag mit einem Kaffeetrinken und einer kurzen Vorstellungsrunde. Anschließend wurden in Gruppen anhand von einigen Leitfragen Erfahrungen aus den Gastdiensten ausgetauscht, etwa über die Gestaltung von Gottesdiensten mit nur wenigen Teilnehmern. Im Rahmen der ersten Andacht in der Klosterkirche haben wir gemeinsam das Abendmahl gefeiert – als ein Zeichen, dass wir uns in der EZG als eine geistliche Gemeinschaft verstehen.
Am Abend habe ich über einige Erfahrungen aus dem letzten Jahr berichtet. Für 2023 wurden 45 Gastdienste vereinbart, von denen allerdings sechs aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden mussten. So haben schließlich 39 Gastdienste stattgefunden: 26 in der Ev. Kirche Mitteldeutschland, 12 in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, außerdem einer in der Nordkirche in Mecklenburg. 15 Gastdienste wurden wegen des Urlaubs vom Pfarrer oder der Pfarrerin angefragt, sechs wegen einer Elternzeit und vier wegen einer Studienzeit. Außerdem sind 14 Gastdienste zur Unterstützung in einer Vakanz angefragt worden, so viele wie noch nie. Daran zeigt sich, dass die vielen Vakanzen die Gemeinden und Kirchenkreise vor immer größere Probleme stellen. Erstmals hat die EZG beim Deutschen Ev. Kirchentag in Nürnberg auf dem Markt der Möglichkeiten ihre Arbeit vorgestellt. Der Stand war ein großer Erfolg, nicht zuletzt wegen des Globulus-Spiels, das der Theologe Nikolaus von Kues einst entwickelt hat und das am Stand der EZG zu einem Besuchermagneten wurde. Viele Besucherinnen und Besucher waren voll des Lobes über unsere Arbeit und haben sich für unseren Einsatz bedankt.
Zu denen, die zum ersten Mal an einem Konvent der EZG teilgenommen haben, gehörte Bettina Schlauraff, seit 2022 neue Regionalbischöfin des Sprengels Magdeburg. Sie wird künftig – als Nachfolgerin von Altbischof Axel Noack – die EZG geistlich und theologisch begleiten und auch dem Vertrauenskreis angehören. Auf dem Konvent hat sie lebhaft von einigen Stationen ihres Lebens erzählt. Sie wurde in Potsdam geboren, in Naumburg, Marburg und Halle hat sie Theologie studiert. Nach ihrer Ordination war sie als Pfarrerin in Bad Bibra im Kirchenkreis Naumburg tätig, anschließend als Klinikseelsorgerin und Pfarrerin im Kirchenkreis Meiningen. Bettina Schlauraff ist verheiratet und hat fünf Kinder. Sie liebt es, poetische Texte zu schreiben, eine Kostprobe gab sie am folgenden Tag in ihrer Morgenandacht in der Kirche St. Stephan in Tangermünde mit einem Text und Gedanken zum Ankern in stürmischen Zeiten.
Zum Abschluss des Abends berichtete Matthias Weismann über die Entwicklung der EZG Sachsen. Sie wurde vor fünf Jahren in der Landeskirche Sachsen gegründet, um – ähnlich wie in der EZG Jerichow – Gastdienste von Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand in Gemeinden der sächsischen Landeskirche zu vermitteln. Schon bald hat sich die sächsische EZG aber anders entwickelt. Anstelle von längeren Diensten geht es bei den Einsätzen überwiegend um die Übernahme von einzelnen Gottesdiensten, Andachten und Beerdigungen. Angefragt wird die EZG dort, wo es Vakanzen gibt, vor allem im Osterzgebirge. Fast 600 Gottesdienste und 360 andere Dienste konnten von den 30 Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand übernommen werden. Die beiden Leiter der Zehntgemeinschaften Jerichow und Sachsen haben vereinbart, in Kontakt zu bleiben. Drei Tage nach unserem Konvent habe ich am Jahrestreffen in Meißen teilgenommen.
Den Freitagvormittag haben wir in Tangermünde verbracht. Nach der Andacht hat die Kantorin Minkina die Besonderheiten der Scherer-Orgel erklärt und vorgeführt, die – erbaut 1623/24 – einen Höhepunkt der Orgelbaukunst der Renaissance darstellt. Es folgte eine kurze Führung durch die Kirche. Anschließend haben wir bei einer Stadtführung Wissenswertes und Anekdotisches über die wechselvolle Geschichte der alten Hansestadt Tangermünde erfahren, leider bei nasskaltem und recht ungemütlichem Wetter.
Am Nachmittag hat Christian Fuhrmann, Oberkirchenrat im Landeskirchenamt Erfurt, über „Erprobungsräume“ referiert, ein Projekt der Ev. Kirche in Mitteldeutschland. Bei diesem Projekt geht es darum, neue Formen von Kirche im säkularen Kontext zu erproben. Erprobungsräume leben Kirche mit anderen und versuchen den Unerreichten die Botschaft des Evangeliums nahezubringen. Dabei werden klassische Merkmale der Volkskirche wie die Parochie oder das Kirchengebäude bewusst überschritten. Das Projekt bindet freiwillig Mitarbeitende verantwortlich ein. Bisher gibt es derartige Erprobungsräume bereits in ganz Mitteldeutschland. An das Referat schloss sich eine lebhafte Diskussion mit Nachfragen und kritischen Anmerkungen an.
Ein Höhepunkt des Konvents fand zweifellos am Freitagabend statt: ein Konzert mit dem Pastor und Liedermacher Fritz Baltruweit, der eigene Lieder aus sechs Jahrzehnten vortrug bzw. zum Mitsingen einlud. Die Bandbreite reichte von bekannten und immer wieder aktuellen Liedern wie „Freunde, dass der Mandelzweig“ bis zur Vertonung eines Spruches von Martin Luther: „Wir sind Gäste in dieser Welt wie in einem Wirtshaus, trinken ein Bier oder eins mehr – und wandern dann wieder weiter, weiter heimwärts.“ Besonders gefreut hat mich, dass auch zahlreiche Mitglieder der Kirchengemeinde Jerichow zu dem Konzert im Bürgersaal gekommen waren.
Am Samstag stand zunächst ein Rückblick von Axel Noack auf 25 Jahre EZG auf dem Programm. Im Frühjahr 1998 hat René Leudesdorff ihn als damaligen Bischof in Magdeburg besucht und von seinen Eindrücken während eines Urlaubs in der Altmark berichtet. Er war erstaunt über die vielen alten Kirchengebäude und bestürzt darüber, wie viele Predigtstätten ein Pfarrer zu betreuen hatte. In Jerichow war er begeistert von der Klosterkirche und hat „Himmel und Hölle“ bewegt für ihren Erhalt. Leudesdorff hatte auch den Gedanken, in Jerichow eine Kommunität zu gründen, was sich aber nicht realisieren ließ. Zu seinem wichtigen Berater in der EZG wurde der Auslandsbischof der EKD Hans-Joachim Held. Aus diesen Anfängen entwickelte sich die EZG mit ihren Gastdiensten in ostdeutschen Gemeinden, über die häufig auch in der Presse berichtet wurde, und dem Präsenzdienst in der Klosterkirche. Axel Noack hat diese Entwicklung von Anfang an mit begleitet, unterstützt und gefördert. Ihm habe ich im Namen aller Mitglieder der EZG für seine Begleitung, Unterstützung und Anregungen gedankt und ein Buchgeschenk überreicht – unter anhaltendem Applaus der Anwesenden.
Im Anschluss an den Rückblick ging es um Fragen, die die Zukunft der EZG betreffen. Ein brisantes Thema war der Vorschlag von mir und dem Vertrauenskreis, eine Altersgrenze einzuführen. Bislang sollte jede/r selbst entscheiden, wann es Zeit ist aufzuhören. Hin und wieder weisen aber Pfarrer/innen aus den Gastgemeinden darauf hin, dass ein Gastdienstleistender den Aufgaben in einer Gemeinde nicht mehr gewachsen ist. Nach eingehender Diskussion wurde auf dem Konvent der Beschluss gefasst, dass künftig mit der Vollendung des 80. Lebensjahres die aktive Mitarbeit bei der EZG endet. Ebenso wurde beschlossen, dass diejenigen, die ihre Mitarbeit beendet haben, weiterhin zu den Konventen eingeladen werden. Einer, der seit 2008 zur EZG gehört und viele Jahre im Vertrauenskreis mitgearbeitet hat, wurde auf dem Konvent verabschiedet: Werner Prieß aus Göttingen, der aus freien Stücken mit 80 aufhören möchte. Gewählt wurden zwei neue Mitglieder des Vertrauenskreises: Gudrun Laqueur aus Berlin und Ulrich Seng aus Kassel.
In der Schlussrunde wurde das Programm des Konvents als abwechslungsreich und gelungen gelobt, wenn auch teilweise etwas zu dicht gedrängt. Der nächste Konvent wird wieder in Neudietendorf stattfinden, und zwar vom 16. bis 18. Oktober 2024.
Hermann de Boer